Saturday 11 April 2015

Christian Hornung: Die Konstruktion christlicher Identität. Funktion und Bedeutung der Apostasie im antiken Christentum (4.-7. Jh. n. Chr.)

Die altertumswissenschaftliche Forschung hat sich in den vergangenen Jahrzehnten intensiv mit dem Verhältnis von christlicher und nichtchristlicher Identität in der Spätantike auseinandergesetzt. Sie nahm dabei besonders die Gruppe der sog. Halbchristen in den Blick und untersuchte die „grey areas", die Grenzbereiche zwischen Christen und Nichtchristen. Eine wichtige frühchristliche Kategorie geriet dabei überhaupt nicht in den Blick der Forschung: die Apostasie.
Dabei erfüllt gerade das Konzept der Apostasie, vergleichbar dem der Häresie und des Schismas im innerchristlichen Bereich, in der Abgrenzung der Christen nach außen eine wichtige Funktion: Es erlaubt die Definition des spezifisch Christlichen in einer auch weit nach der sog. Konstantinischen Wende mehrheitlich pagan geprägten Umwelt.
Der Vortrag will der Funktion und Bedeutung der Apostasie im antiken Christentum nachgehen und dabei besonders die Zeit ab dem 4. Jahrhundert berücksichtigen. In einem ersten Teil soll das Apostasie-Konzept näher untersucht werden: Welche verschiedenen Definitionen des Glaubensabfalls lassen sich nachweisen („engerer" versus „weiterer" Apostasie-Begriff)? Welche Funktionen erfüllen sie? In einem zweiten Teil soll der konkrete Umgang mit Apostasien in frühchristlichen Gemeinden thematisiert werden. Beispiele sind die spätantiken Metropolen Antiochien in Syrien und Arles in Gallien, die über die Predigtkorpora des Johannes Chrysostomus und des Caesarius von Arles untersucht werden. An ihnen soll aufgezeigt werden, wie mittels des Apostasie-Konzepts eine spezifisch christliche Identität überhaupt erst konstruiert und aufgebaut wird. Hierbei ist zwischen dem in der kirchlichen Disziplin formulierten Anspruch und der pastoralen Wirklichkeit grundsätzlich zu unterscheiden.

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